Entwicklungen im Internet Governance-Umfeld im Juli und August 2025

Entwicklungen im Internet Governance-Umfeld im Juli und August 2025

WSIS-Forum und AI for Good Summit

Am WSIS-Forum der ITU und dem parallel stattfindenden „AI for Good Summit“ vom 6. – 9. Juli 2025 Genf beteiligten sich in über 200 Sessions mehr als 11.000 Experten aus 169 Ländern.[1] Beim WSIS-Forum ging es primär um die Überwindung der digitalen Spaltung und das Thema „Konnektivität“. Beim KI-Gipfel um die Balance zwischen Regulierung und Innovation. Gegenstand des WSIS-Forums war auch die Vorbereitung der WSIS+20 Überprüfungskonferenz, die im Oktober 2025 im Rahmen der 80. UN-Vollversammlung beginnt. Beide Veranstaltungen bekräftigten das eine „human centric and development oriented“ Informationsgesellschaft nur durch Multistakeholder Kooperation erreicht werden kann. Die bestehenden Mechanismen wie das IGF oder der „AI for Good Summit“ seien ausgezeichnete Plattformen, um den 2024 verabschiedeten „Global Digital Compact“ umzusetzen. Neue Mechanismen würden nur zu Duplikationen und Ressourcenverschwendung führen.

WSIS+20 Überprüfungskonferenz

Die Vorbereitung der WSIS+20 Überprüfungskonferenz hat weiter Fahrt aufgenommen. Nach dem WSIS Forum Anfang Juli 2025 in Genf fanden am 29. Juli 2025 weitere Konsultationen zum „Elements Paper“ (Juni 2025) statt, diesmal gemeinsam mit Regierungen und Stakeholdern. Die mehr als 100 Stellungnahmen wurden auf der WSIS+20 Website veröffentlicht. Am 18. August 2025 wurde ein präzisierter Fahrplan veröffentlich.[2] Für Ende August wird der „Zero Draft“ des Abschlussdokuments erwartet. Nach weiteren Stakeholder Konsultationen am 13. und 14. Oktober 2025 beginnen die formellen Regierungsverhandlungen am 15. Oktober 2025 in New York. Während des ICANN-Treffens in Dublin wird es am 27. und 28. Oktober eine weitere Konsultationsrunde geben. Ein „Draft Output Document“ ist für Mitte November angekündigt. Ende November und Anfang Dezember sind für weitere Verhandlungen und Konsultationen reserviert. Inwieweit nicht-staatliche Vertreter an den abschließenden Regierungsverhandlungen beteiligt werden, ist noch offen. Das WSIS+20 Abschlussdokument wird nach einem zweitägigen „High-Level-Meeting“ am 17. Dezember 2025 in New York verabschiedet.

Informal Multistakeholder Sounding Board

Der Anfang Juli 2025 berufene neue „Informal Multistakeholder Sounding Board“ (IMSB)[3] hatte beim WSIS-Forum in Genf am 9. Juli 2025 seine konstituierende Sitzung gemeinsam mit den WSIS+20 Ko-Fazilitatoren, den UN-Botschaftern von Albanien und Kenia, Suela Janina und Ekitela Lokaale. In virtuellen Meetings am 4., 11. und 22. August 2025 wurden die WSIS+20 Konsultationen vom 29. Juli 2025 ausgewertet und eine Prioritätenliste (tricky issues) erarbeitet. Der IMSB ist ein neues Format zur Begleitung von UN-Regierungsverhandlungen. Er soll als Scharnier dienen zwischen Regierungen und nicht-staatlichen Stakeholdern. Der IMSB ist kein „Multistakeholder Drafting Team“, eher ein „Watchdog“, der bei strittigen Fragen als Vermittler fungieren könnte. Die exakten Prozeduren werden sich erst im Prozess der WSIS+20 Regierungsverhandlungen herausbilden. Der IMSB hat u.a. regelmäßige Treffen mit den Ko-Fazilitatoren und dem WSIS+20 Consultant der UNO, David Souter, vorgeschlagen.

BRICS Gipfel in Rio de Janeiro

Beim BRICS Gipfel in Rio de Janeiro wurde am 6. Juli 2025 ein „BRICS Leaders Statement on the Global Governance of AI“[4] verabschiedet. Die Staats- und Regierungschefs der BRICS fordern darin eine zentrale Rolle der UNO bei der zukünftigen Entwicklung von AI Governance. Die Vielzahl von KI-Aktivitäten verschiedener, meist regionaler, privater und westliche dominierten Organisationen drohten zu einer Fragmentierung der globalen KI-Diskussion mit nachteiligen Konsequenzen für den Global Süden zu führen. In einem 20-Punkte-Plan fordern die BRICS-Staaten mehr nationale digitale Souveränität, Zugang zu Technologien, Marktregulierungen und ethische Richtlinien auf globaler Ebene. In der Abschlusserklärung der BRICS Gipfel werden weiterhin Cybersicherheit und Digitalwirtschaft angesprochen. Für Cybersicherheit erneuern die BRICS-Staaten ihre Forderung nach einem „universal legal framework“ für ein verantwortungsbewusstes Verhalten von Staaten im Cyberspace und fordern zur Unterzeichnung der neuen UN-Konvention gegen Cyberkriminalität auf. Zur Digitalwirtschaft wird die „BRICS Partntership on the New Industrial Revolution (PartNIR) durch die Gründung drei neuer Arbeitsgruppen sowie die Förderung einer „resilient, safe, inclusive und interoperable digital public infrastructure“ gestärkt werden.[5]

KI-Strategie der USA „Winning the AI Race: America’s AI Action Plan”

Am 23. Juli 2025 veröffentlichte das Weiße Haus die KI-Strategie der USA „Winning the AI Race: America’s AI Action Plan”.[6] US-Präsident Trump erklärt dazu „As our global competitors race to exploit these technologies, it is a national security imperative for the US to achieve and maintain unquestioned and unchallenged global technological dominance“. Die USA sehen die KI-Entwicklung als ein „Wettrennen“, dass sie gewinnen müssen. Der Aktionsplan will Raum für unbegrenzte Innovationen schaffen. Regulierungen werden abgelehnt. Im Kapitel „International AI Diplomacy wird eine Partnerschaft mit „gleichgesinnten Ländern“, allerdings unter US-Führerschaft, angestrebt. Anstrengungen der UNO, ITU, G7, G20, OECD und ICANN, globale „AI Governance Frameworks“ zu schaffen, stehen die USA kritisch gegenüber. „Too many of these efforts have advocated for burdensome regulations, vague “codes of conduct” that promote cultural agendas that do not align with American values, or have been influenced by Chinese companies attempting to shape standards for facial recognition and surveillance.“

World AI Conference in Shanghai

Am 26. Juli 2025 hat Chinas Ministerpräsident Li Qiang auf der „World AI Conference“ in Shanghai[7] einen „Action Plan for Global AI Governance“ und die Gründung einer „Global AI Cooperation Organization“ mit Sitz in Shanghai vorgeschlagen.[8] Der Action Plan enthält 13 Punkte die auf Innovation, Infrastrukturentwicklung, Kapazitätsbildung, Unterstützung des globalen Südens, den Aufbau eines „diverse, open, and innovative AI ecosystems“ (AI Plus) und „the building of an inclusive multi-stakeholder governance model“ zielen.[9] An der WAIC beteiligten sich mehr als 1300 Experten aus 36 Ländern, darunter aus den USA Nvidia, Google, Tesla,  Microsoft, aber auch Siemens und der als „AI-Godfather“ bekannte Nobelpreisträger Geoffrey Hinton.[10]

Independent International Scientific Panel on AI und den „Global Dialogue on AI Governance“

Am 17. Juli 2025 veröffentlichte die UNO die vierte und letzte Version der Modalitäten für das „Independent International Scientific Panel on AI“ und den „Global Dialogue on AI Governance[11]. Das KI-Panel soll aus 40 unabhängigen, von der UN-Vollversammlung gewählten Persönlichkeiten bestehen und jährlich einen KI-Bericht erarbeiten. Der KI-Dialog soll jährlich als eine Multistakeholder Plattform abwechselnd in Genf und New York stattfinden. Das Mandat gilt bis zur 2027 geplanten Überprüfungskonferenz für den Global Digital Compact (GDC).

G20 Finanzminister-Treffen in Durban

Beim Treffen der G20 Finanzminister am 18. Juli 2025 in Durban[12] wurde die von den G7 Finanzminister am 26. Juni 2025 beschlossene Ausnahmeregelung für US-Digitalkonzerne von dem G20/OECD Abkommen über eine Digitalsteuer (BEPS/Pillar2) diskutiert. In der G20 Erklärung heisst es: „Members agreed to continue engaging constructively to address concerns regarding Pillar 2 global minimum taxes, with the shared goal of finding a balanced and practical solution that is acceptable for all. The meeting also affirmed a commitment to facilitate further progress to stabilise the international tax system, including a constructive dialogue on the tax challenges arising from the digitalisation of the economy“. Ob das 2021 unterzeichnete OECD/G20 Abkommen, dem 143 Staaten beigetreten sind, 2025 in Kraft tritt, ist offen[13]. Eine alternative Option ist die UNO. Dort haben am 4. August 2025 in New York Verhandlungen über eine „UN-Framework Convention on International Tax Cooperation“[14] im Rahmen eines neuen „Intergovernmental Negotiations Committee“ (INC) begonnen.[15]

25. Gipfeltreffen zwischen China und der EU in Beijing

Das 25. Gipfeltreffen zwischen China und der EU fand am 24. Juli 2025 in Beijing statt. In einer Presseerklärung forderte die EU „to foster reciprocity in the digital sphere, underlining that European companies faced limited access to China“. Kritisiert werden Unklarheiten bezüglich „Chinese data security rules and cross-border data flows from China, as well as malicious cyber activities detected as originating from China“.[16] Das Thema KI wurde nicht angesprochen. Am 28. Juli 2025 leitete die EU-Kommission ein Verfahren gegen den chinesischen TechKonzern Temu ein wegen Verstöße gegen den „Digital Market Act“ (DMA).[17] 

„Quantum-Strategie“ der EU-Kommission

Am 2. Juli 2025 hat die EU-Kommission ihre Quantum-Strategieverabschiedet.[18] Sie soll Europa bis 2030 in der Quantentechnik weltweit führend machen. 50 Millionen EURO werden für eine Quantenentwurfs- und sechs Pilotfertigungsanlagen für Quantenchips sowie einer Pilotanlage für das europäische Quanten-Internet zur Verfügung gestellt. 2026 soll eine „Europäischen Akademie für Quantenkompetenzen“ gegründet werden. Vorgesehen sind Kooperation mit der europäischen Weltraum- und Rüstungsindustrie. Am 10. Juli 2025 hatte die EU-Kommission die finale Version des „General-Purpose AI Code of Practice“[19], eine Richtlinie für die Anwendung ihres KI-Gesetzes, angenommen. Am 14. Juli 2025 hat die EU-Kommission Leitlinien zum Schutz Minderjähriger sowie den Prototyp einer App zur Altersüberprüfung vorgestellt, die Kinder- und Jungendschutz in der digitalen Welt verbessern sollen. [20]

UN Open Ended Working Group (OEWG) zu Cybersicherheit

Am 11. Juli 2025 endete in New York die letzte Sitzung der UN Open Ended Working Group (OEWG) zu Cybersicherheit mit der Annahme des Abschlussberichts im Konsensus[21]. Das wesentliche Ergebnis ist, das sich die 193 UN-Staaten darauf einigen konnten, einen neues permanente UN-Gremium für Cybersicherheit (Global Mechanism on Cybersecurity) zu schaffen, dass die OEWG-Themen (Anwendung des Völkerrechts im Cyberspace, Normen für staatliches Verhalten im digitalen Raum sowie vertrauens- und kapazitätsbildenden Maßnahmen) weiter bearbeiten wird. Der „Global Mechanism“ soll zweimal jährlich tagen und untersteht dem 1. Ausschuss der UN-Vollversammlung (UNGA). Nicht-staatlichen Vertretern wird es möglich sein, an diesen Sitzungen teilzunehmen, allerdings unter Auflagen, die in einem gesonderten Modalitätspaper[22] definiert sind. Weitere Ergebnisse der OEWG sind die Schaffung eines „Global Point of Contact (POC) Directory“ und die Gründung des „Global Roundtable on ICT security capacity-building“. Die finale Entscheidung trifft die 80. UN-Vollversammlung im Herbst 2025.

Gründung „Commission on Cyber Force Generation“

Am 4. August 2025 verkündeten das Center for Strategic and International Studies (CSIS) und die Solarium Commission 2.0, zwei führende Washingtoner Thinktanks, die Gründung einer „Commission on Cyber Force Generation“[23]. Die Kommission soll Empfehlungen ausarbeiten „to ensure and defend the US strategic superiority and security in the cyber domain.“ Die Kommission wird geleitet von Josh Stiefel (Armed Services Committee des US-Kongresses) und Generalleutnant Ed Cardon, ehemaliger Kommandeur der US Army Cyber Command.

Potsdam Call on Autonomous Weapon Systems

Am 4. August 2025 haben 35 Wissenschaftler aus 21 Ländern, darunter vier Mitglieder der „Internet Hall of Fame“, einen „Potsdam Call on Autonomous Weapon Systems“[24] veröffentlicht. Sie nutzten den 80. Jahrestag des Potsdamer Abkommens und der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki um an die heutigen Staatenführer zu appellieren, eine Entwicklung zu verhindern, bei der die Entscheidung über Leben und Tod an KI gesteuerte autonome Waffensysteme übergeht. Sie knüpfen an das 1955 veröffentlichte „Russell-Einstein-Manifest“[25] an, wo Wissenschaftler Staats- und Regierungschefs aufgerufen hatten, einen Atomkrieg zu verhindern. In zwei Briefen an UN-Generalsekretär Antonio Guterres und die Präsidentin der 80. UN-Vollversammlung, Annalena Baerbock, wird die Ausarbeitung eines UN-Vertrages zu autonomen Waffensystemen unterstützt.


[1] https://www.itu.int/net4/wsis/forum/2025/Home/Outcomes

[2] https://publicadministration.desa.un.org/wsis20/Preparatory%20Process%20Roadmap

[3] https://publicadministration.desa.un.org/sites/default/files/2021-04/2025/WSIS%2B20_IMSB_TOR.pdf

[4] http://www.brics.utoronto.ca/docs/250706-ai.html

[5] http://www.brics.utoronto.ca/docs/250706-declaration.html

[6] https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2025/07/Americas-AI-Action-Plan.pdf

[7] https://english.www.gov.cn/news/202507/26/content_WS6884bea8c6d0868f4e8f4732.html

[8] http://en.chinadiplomacy.org.cn/2025-07/26/content_117997800.shtml

[9] https://www.fmprc.gov.cn/eng./xw/zyxw/202507/t20250729_11679232.html

[10] https://www.globaltimes.cn/page/202507/1339323.shtml

[11] https://www.un.org/global-digital-compact/en/ai

[12] https://g20.org/g20-media/third-meeting-of-the-g20-finance-ministers-and-central-bank-governors/

[13] https://www.deloitte.com/de/de/services/tax/analysis/pillar-2-umsetzung-globale-mindestbesteuerung.html?gad_source=1&gad_campaignid=20294778948&gbraid=0AAAAAD-dxRK5-52D3dnT0GRt6d5BCyFBL&gclid=Cj0KCQjw-4XFBhCBARIsAAdNOkuog6w4kNXV4HgHI5ESZBPgzH12bQBejJZ66Oeq9E2httxiqvN7OlAaAo5GEALw_wcB#3

[14] https://www.iisd.org/articles/explainer/united-nations-international-tax-convention-negotiations

[15] https://financing.desa.un.org/inc

[16] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1901

[17] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1913

[18] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1682

[19] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1787

[20] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_25_1820

[21] https://docs-library.unoda.org/Open-Ended_Working_Group_on_Information_and_Communication_Technologies_-_(2021)/Letter_from_OEWG_Chair_10_July_2025.pdf

[22] https://docs-library.unoda.org/Open-Ended_Working_Group_on_Information_and_Communication_Technologies_-_(2021)/42_cosponsors_-_Practical_Modalities_on_Stakeholder_Participation_in_the_Future_UN_Mechanism_-_cross-regional_paper_-_July_2025.pdf

[23] https://www.csis.org/news/csis-launches-commission-cyber-force-generation

[24] https://potsdamcall.dgdg.blog/

[25] https://ahf.nuclearmuseum.org/ahf/key-documents/russell-einstein-manifesto/

Wolfgang Kleinwächter

Professor Emeritus of Internet Policy & Regulation at Aarhus University