Sollten für künstliche Intelligenz nur technische Maßstäbe gelten oder auch ethische? Und wie lässt sich die Nutzung von Big Data mit dem Recht auf Datenschutz vereinbaren? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich "Internet Governance".
Das Internet als ein Netzwerk von Netzwerken verbindet mittlerweile mehr als vier Milliarden Nutzer – und damit weit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung – mit nahezu zehn Milliarden stationären und mobilen Endgeräten. Und jedes Jahr werden es rund sieben Prozent mehr.
Da jede Internet-Kommunikation auf die gleichen globalen technischen Ressourcen zurückgreift (IP-Adressen, Domainnamen, Root- und Nameserver), also alles mit allem verwoben ist, sind auch alle mit der Nutzung des Internet einhergehenden Themenbereiche miteinander verbunden. Deshalb gibt es heute nahezu keine politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Fragestellung mehr, die nicht in irgendeiner Form mit dem Internet zu tun hat oder vom Internet beeinflusst wird: Technische oder staatliche Regelungen zur Cybersicherheit wirken sich auf Geschäftsmodelle aus und haben Konsequenzen für die Wahrnehmung individueller Menschenrechte wie freie Meinungsäußerung oder Schutz der Privatsphäre. Umgekehrt beeinflussen technische oder staatliche Regelungen zum Schutz der Privatsphäre die digitale Wirtschaft und die Sicherheit im Netz.
Akteure, Foren, Themenfelder: Wer – wie – was
Weltweit diskutieren inzwischen zahlreiche Beteiligte mehr als 600 Themenfelder, die in direktem Zusammenhang mit der Nutzung und Weiterentwicklung des Internet und der digitalen Vernetzung stehen. Was zunächst eher technische Fragen waren, sind heute ganz klar auch politische und ethische Fragen. Diese Themen lassen sich in die vier Bereiche Cybersicherheit, Digitale Wirtschaft, Technologie und Digitale Menschenrechte gliedern. Sie werden gemeinhin unter dem Begriff „Internet Governance“ zusammengefasst.
„Internet Governance“ beschreibt einen offenen, gleichberechtigten und konstruktiven Meinungsbildungs- und Dialogprozess, der der Sensibilisierung für Herausforderungen und der Entwicklung von Lösungsansätzen für das Internet von heute und von morgen dient. Das Besondere daran: Nicht nur staatliche Akteure sind beteiligt, sondern alle gesellschaftlichen Gruppen – bis hin zum privaten Internetnutzer.
Governance in diesem Sinne zielt also nicht auf staatliche Regulierung. Internet Governance folgt vielmehr dem „Multistakeholder“-Ansatz. Dies bedeutet, dass sich staatliche Akteure wie Regierungen und internationale Organisationen mit Vertreterinnen und Vertretern von privaten Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, technischer Community und der Zivilgesellschaft auf Augenhöhe austauschen: über politische Verfahren, soziale und wirtschaftliche Ziele, technische Standards und weitere Regeln, Werte und Mechanismen rund um das Internet.
Ein konkretes aktuelles Beispiel ist die Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Neben technischen Aspekten werden auf internationaler Ebene auch ethische Standards diskutiert: Sollen Algorithmen moralischen Regeln folgen und wenn ja, welche sollten das sein? Welche Entscheidungen wollen wir Maschinen überlassen, und welche Grenzen wollen wir ziehen? Damit verbinden sich politische Fragen: Welche Regulierungsansätze braucht es? Was sollten Regierungen tun, um bestimmte Entwicklungen zu fördern und andere vielleicht zu stoppen?
Spannend ist nicht nur die Vielzahl der behandelten Themen: Jede(r) Interessierte kann sich am Multistakeholder-Prozess beteiligen und damit die Diskussionen in den relevanten Entscheidungsgremien auf nationaler und internationaler Ebene beeinflussen. DENIC als wichtiger Akteur der technischen Community tut dies auch.
Regeln für das Netz global diskutieren: ALLE für das EINE Internet
Vertreterinnen und Vertreter aller Interessengruppen (die „Stakeholder“) kommen im Rahmen verschiedener Foren zusammen, um gemeinsam am Dialog, der Entscheidungsfindung und der Umsetzung von Lösungen für Themen teilzuhaben, die jeden Internetnutzer betreffen. Insgesamt bilden mehr als 50 solcher Organisationen, Gremien und Plattformen das so genannte Internet Governance Ecosystem.
Die wichtigste globale Diskussionsplattform zur Zukunft des Internet ist das Internet Governance Forum der Vereinten Nationen (IGF). Es zielt insbesondere auch auf die aktive Beteiligung der – ansonsten tendenziell unterrepräsentierten – Entwicklungs- und Schwellenländer des globalen Südens ab. 2019 findet das jährliche IGF erstmals in Deutschland statt. Am Internet Interessierten bietet sich dort die Gelegenheit, die Schauplätze und Beteiligten der ergebnisoffenen internationalen Internetdebatte kennenzulernen und sich mit Gleichgesinnten in die Gestaltung des Netzes der Zukunft einzubringen.
Für ein offenes, freies und sicheres globales Netz: DENIC und Internet Governance
Als einer der zentralen Infrastrukturdienstleister des Internet in Deutschland ist DENIC Teil der technischen Community, die die wesentlichen Ressourcen koordiniert, ohne die das Internet nicht funktionieren kann. In dieser Rolle ist DENIC seit vielen Jahren auf allen Ebenen in den verschiedensten Governance-Foren aktiv und setzt sich dort für die Bewahrung und Weiterentwicklung des offenen, freien und sicheren Internet ein.
Zu DENICs Engagement gehört auch die Bereitstellung der fortlaufend aktualisierten Informations-Website Internet Governance Radar. Als einziges deutschsprachiges Informationsangebot bietet sie einem breiten interessierten Publikum umfassendes Hintergrundwissen zu Themen, Akteuren und Entwicklungen im Internet Governance-Umfeld an.
Am DENIC-Informationsstand - Foyer 1, Stand 11 - im IGF 2019 Village vom 25. – 29. November 2019 in Berlin können Sie mehr über DENICs Internet Governance-Engagement und seinen Einsatz im Interesse der deutschen Netzgemeinde erfahren. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!