Entwicklungen im Internet Governance Umfeld April bis Juni 2018:
In der globalen Internet-Governance-Debatte verfestigten sich auch im 2. Quartal 2018 die Trends aus 2017. Institutionell nimmt die Bedeutung von zwischenstaatlichen Regierungsorganisationen weiter zu. Inhaltlich dominieren die Themen Cybersicherheit, digitalen Wirtschaft, Menschenrechte (Datenschutz und freie Meinungsäußerung) sowie neuere technische Entwicklungen in den Bereichen kritische Internetressourcen, Internet der Dinge und künstliche Intelligenz.
Gleichzeitig wird deutlich, dass die Bereitschaft von Regierungen, einvernehmliche universelle Lösungen für drängende Internet-Probleme zu finden – und dafür entsprechende politische oder rechtliche Rahmenbedingungen auf globaler Ebene zu schaffen – weiter sinkt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Lücke, die durch eine Patt-Situation bei zwischenstaatlichen Regierungsverhandlungen entsteht, neue Aktivitäten nicht-staatlicher Akteure herausfordert. Das zeigt sich u.a. bei dem von Microsoft initiierten „Cybersecurity Tech Accord“, der „Tech Against Terrorism“-Initiative mit dem „Global Internet Forum to Counter Terrorism“ (GIFCT), den Ankündigungen zu Selbstverpflichtungen der Industrie beim Thema künstliche Intelligenz oder der Diskussionen um Normen und Verhandlungsprozesse im Rahmen der „Global Commission on Stability in Cyberspace“.
Die wichtigsten Ereignisse im 2. Quartal 2018 waren u.a.
- Beim G7-Gipfeltreffen in Kanada wurden zwei Grundsatzdokumente zu den Themen künstliche Intelligenz und Verteidigung der Demokratie gegen Cyberangriffe verabschiedet. (La Malbaie, Juni 2018);
- Die Beschlüsse der G7-Innenminister zum verstärkten Kampf gegen Cyberterrorismus und Cyberkriminalität (Toronto, April 2018);
- Das Kommuniqué des Gipfeltreffens der Shanghai Cooperation Organisation (SCO), das u.a. der chinesische Präsident Xi, der russische Präsident Putin und der indische Präsident Modi unterzeichneten, drückt die Unzufriedenheit der SCO mit den bestehenden Internet-Governance- Mechanismen zur Verwaltung kritischer Internetressourcen aus (Tsingtao, Juni 2018);
- Beim Cybersicherheitsgipfel der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) erhob der ehemalige Präsident von Estland, Toomas Handrik Ilves, die Forderung zur Schaffung einer „Cyber-Nato“ die über den trans-atlantischen Bereich hinausgeht (Tallin, Mai 2018);
- In einem sogenannten „Cybersecurity Tech Accord“ haben mehr als 30 große Internet-Unternehmen, darunter Microsoft, Facebook, Nokia, Oracle, Cisco, Symantec, British Telecom, SAP, Telefonica sich auf Grundprinzipien zum Schutz von Internetnutzern gegen Cyberangriffe geeinigt. Dies wird als erster Schritt zur Umsetzung der von Microsoft vorgeschlagenen Ausarbeitung eines komplexen Mechanismus in Form einer neuen „Digitalen Genfer Konvention“ gesehen (Redmond, April 2018);
Im Einzelnen sind auf zwischenstaatlicher Ebene im 2. Quartal 2018 folgende wichtige Aktivitäten herauszuheben:
- Nach dem Gipfeltreffen der G7-Staaten im Mai 2018 in Charlevoix wurden zwei für Internet Governance relevante Dokumente veröffentlicht: die „Charlevoix Common Vision for the Future of Artificial Intelligence“ und das „Charlevoix Commitment on Defending Democracy from Foreign Threats“. Beim vorangegangenen Treffen der G7-Innenminister im April 2018 in Toronto ging es um den Kampf gegen Cyberterrorismus und Cyberkriminalität;
- Im Rahmen der G 20 gab es am 15. Juni 2018 in Baroliche ein Treffen der Energieminister, bei dem u.a. vereinbart wurde, den Energiemarkt weiter zu digitalisieren, dabei aber die Risiken eines Missbrauchs von IT Technologie, z.B. für Cyberangriffe auf Energieversorger, zu minimieren.
- Beim Gipfeltreffen der zehn Mitgliedstaaten der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) im Juni 2018 in Tsingtao wurde das bestehende System für Internet Governance kritisiert und gefordert, neue Internet Governance Mechanismen im Rahmen der Vereinten Nationen zu schaffen;
- Die Jahrestagung der UNCSTD nahm im Mai 2018 in Genf das Scheitern der UNCSTD Working Group on Enhanced Cooperation (WGEC II) mit Bedauern zur Kenntnis und delegierte die weitere Behandlung des Themas „Enhanced Cooperation“ zurück an den 2. Ausschuss der UN-Vollversammlung;
- Der ITU Council tagte im April 2018 in Genf und stellte wesentliche Weichen für die bevorstehende ITU Vollversammlung, die für Oktober/November 2018 in Dubai angesetzt ist;
- Die UNCTAD veranstaltete im April 2018 in Genf ihre jährliche eCommerce-Woche mit zahlreichen Workshops und der 2. Tagung der „Intergovernmental Group of Experts on eCommerce and the Digital Economy“, die ergänzend zur WTO an Regeln für den digitalen Handel arbeitet;
- Der UN-Menschenrechtsrat (HRC) kam Ende Juni 2018 zu seiner 38. Sitzung zusammen, bei der es auch wieder um den Schutz der Privatsphäre und die freie Meinungsäußerung im Cyberspace ging;
- Die 2. Sitzung der „Group of Governmental Experts on Emerging Technologies in the Area of Lethal Autonomous Weapons Systems“ (GGE-LAWS) diskutierte im April 2018 in Genf Definitionen für solche neuen Cyberwaffen und mögliche Herangehensweisen für eine internationale Regulierung, einschließlich eines Moratoriums für Killer-Roboter;
- Die „Global Commission on the Future of Work“ der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat in Genf im Mai 2018 die Grundzüge ihres für Ende des Jahres zu erwartenden Abschlussberichts diskutiert;
- Die Trump-Administration in den USA hat damit begonnen, ihrer Internet Governance Politik stärkere Konturen zu verleihen. Das US Department of State veröffentlichte im Mai 2018 ein neues Strategiepapier zur Cyberaußenpolitik, das US Department of Commerce startete ebenfalls im Mai 2018 eine öffentliche Konsultation zu den internationalen Aspekten von Internet Governance.
- Der chinesische Präsident Xi Jinpinghat im April 2018 in Beijing auf einer nationalen Internet-Konferenz gefordert, China zu einer globalen Cybersuperpower zu entwickeln und der UNO eine zentrale Rolle bei der Schaffung von internationalen Rahmenbedingungen für Internet Governance zu geben;
- Der russische Außenminister Sergei Lawrow hat sich in einer Rede im Mai 2018 in Moskau über die mangelnde Kooperationsbereitschaft der westlichen Staaten gegenüber den russischen Initiativen zur Stärkung der globalen Cybersicherheit beklagt und neue russische Initiativen bei der bevorstehenden 78. UN-Vollversammlung im Herbst 2018 angekündigt.
Auf der Multistakeholder- und nicht-staatlichen Ebene sind im 2. Quartal 2018 folgende wichtige Aktivitäten herauszuheben:
- Das IGF-Sekretariat und das MAG haben mit den konkreten Vorbereitungen für das 13. Internet Governance Forum (IGF), das jetzt vom 13. - 16. November 2018 in Paris stattfindet, begonnen;
- Das 11. EURODIG fand in Tbilissi statt und sah mehr als 700 Registrierungen aus über 60 Ländern;
- Im April 2018 einigten sich 34 Unternehmen auf einen sogenannten „Cybersecurity Tech Accord“, mit dem die von Microsoft angestoßene Diskussion zu einer digitalen Genfer Konvention weiter vorangebracht werden soll;
- Die „Global Commission on Stability in Cyberspace“ (GCSC) diskutierte bei ihren Tagungen in Bratislava im Mai 2018 und in Tel Aviv im Juni 2018 weitere Normen für ein stabilitätsförderndes Verhalten von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren im Cyberspace sowie Konzepte für die Gestaltung zukünftiger internationaler Verhandlungsprozesse für Internet Governance;
- Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) veranstaltete ihren diesjährigen Cybersicherheitsgipfel Ende Mai 2018 in Tallinn, wo der ehemalige estnische Präsident Toomas Ilves die Forderung nach Schaffung einer Cyber-NATO erhob;
- Das Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) stellte im April 2018 eine neue Studie zum (industriellen) Internet der Dinge (IOT) vor und hat seine Lobbyarbeit zur Bildung eines „Internet-Politik-Panels der Vereinten Nationen“ beim UN Generalsekretär Antonio Guterres verstärkt;
- Auf zahlreichen Multistakeholder-Internet-Konferenzen wurde das breite Spektrum von Internet-Governance-Themen diskutiert. Dabei haben insbesondere die jährlich stattfindenden Konferenzen RightsCon (Toronto, Mai 2018), CyCon ((Juni 2018 in Tallinn) und die Cyberweek Israel (Tel Aviv, Juni 2018) eine überregionale internationale Bedeutung erlangt und sich einen hohen Status erarbeitet.
"Cyberterroristen können unsere sensibelsten Systeme lahmlegen. Einige für uns lebenswichtige davon können sie sogar im wahrsten Sinne des Wortes übernehmen, vollkommen unter ihre Kontrolle bringen. Und wir sprechen hier nicht von einem theoretischen Szenario in ferner Zukunft. Das geschieht bereits heute, und wir alle wissen das ganz genau. Sie wären nicht hier. Ihre Unternehmen gäbe es nicht. Dieser ganze florierende Wirtschaftszweig würde nicht existieren, gäbe es nicht diese ungeheure, atemberaubende Bedrohung für unsere Banken, unsere Flugzeuge, ja sogar unsere Waffensysteme. Unsere einzige Chance, dieser gewaltigen Herausforderung die Stirn zu bieten, ist immer die Führung zu behalten, immer einen Schritt voraus zu sein. Es ist ein extremer Härtetest für unsere Zivilisation. Und es werden nicht nur kriminelle Organisationen und Terroristen sein, die sie auf den Prüfstand stellen, sondern auch andere Staaten."
Benjamin Netanyahu, Ministerpräsident Israel, CyberWeek, Tel Aviv, 15. Juni 2018