Entwicklungen im Internet Governance Umfeld Oktober bis Dezember 2019:
Der wichtigste Termin der globalen Internet Governance Diskussion im 4. Quartal 2019 war das 14. UN Internet Governance Forum in Berlin. Mit 7000 Teilnehmern, die Hälfte davon online, mehr als 200 Sessions und einer breiten Palette von sichtbaren Ergebnissen (tangible outcomes) war es das größte und erfolgreichste IGF seit seiner Gründung im Jahr 2006. Insbesondere die Diskussion zur Umsetzung der Empfehlungen des UN High-Level Panel on Digital Cooperation mit Blick auf den 75. Jahrestag der Vereinten Nationen am 24. Oktober 2020 sowie die Reden von UN-Generalsekretär António Guterres und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel markierten eine neue politische Qualität des IGF.
Weitere politisch bedeutsame Ereignisse für die Entwicklung des globalen Internet Governance Ecosystems waren im 4. Quartal 2019 u.a.:
- die Verabschiedung einer UN-Resolution der 74. UN-Vollversammlung zur Schaffung einer neuen zwischenstaatliche Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer Konvention im Kampf gegen Cyberkriminalität (Dezember 2019)
- der Beschluss der 24. UNESCO-Generalkonferenz, die Arbeit an einem normativen Instrument zum Thema „künstliche Intelligenz“ zu beginnen (November 2019)
- die Präsentation des Abschlussberichts der Global Commission on Stability in Cyberspace (GCSC) beim Pariser Friedensforum mit dem Vorschlag, eine Norm zum Schutz des öffentlichen Kerns des Internet auszuarbeiten (November 2019)
- die Verabschiedung des „Contract for the Web“ der World Wide Web Foundation im Rahmen des 14. IGF in Berlin (November 2019)
Sachbereiche
In den vier großen Sachbereichen des globalen Internet Governance Ecosystems sind im 4. Quartal 2019 insbesondere die folgenden Aktivitäten hervorzuheben:
Im Bereich von Cybersicherheit spielen die UNO und ihre subsidiären Organe und Arbeitsgruppen eine immer zentralere Rolle. Das betrifft vor allem die beiden 2018 neu gegründeten Verhandlungsgruppen „Open-Ended Working Group“ (OEWG) und „6th Group of Governmental Experts“ (UNGGE6), die unter dem 1. Ausschuss (Frieden und Sicherheit) der UN-Vollversammlung operieren. Beide Gruppen befassen sich mit Normen für staatliches Verhalten im Cyberspace sowie vertrauens- und kapazitätsbildenden Maßnahmen (CBMCs). Im Hintergrund koordinieren die beiden in Genf angesiedelt UN-Institutionen – das „United Nations Institute for Disarmament Research“ (UNIDIR) und das „United Nations Office for Disarmament Affairs“ (UNODA) – die umfangreicher werdenden UN-Cybersicherheitsagenda. UNODA wird seit 2017 von der stellvertretenden UN-Generalsekretärin Izumi Nakamitsu geleitet, die zunehmend an internationalem Profil gewinnt. Parallel zu den Verhandlungen im Bereich von Frieden und internationaler Sicherheit entwickelt die UNO auch ein Netz von Verhandlungen und Instrumentarien zur Bekämpfung von Cyberkriminalität und Cyberterrorismus wie, u.a. das „United Nations Interregional Crime and Justice Research Institute“ (UNICRI), das „UN Office on Drugs and Crimes“ (UNDC) und das „United Nations Office of Counter-Terrorism (UNOTC). Als neues Element kam jetzt die Bildung des neuen zwischenstaatlichen UN-Komitees zur Ausarbeitung einer Cybercrime-Konvention hinzu, das unter dem 3. Ausschuss (Menschenrechte) der UN-Vollversammlung operieren wird. Im Einzelnen waren im 4. Quartal 2019 die folgenden Aktivitäten relevant:
- Die 74. UN-Vollversammlung entschied am 24. Dezember 2019, ein neues Komitee (open-ended ad hoc intergovernmental committee of experts) zu gründen mit dem Mandat, eine UN-Konvention zur Bekämpfung von Kriminalität im Cyberspace auszuarbeiten;
- Vom 2. bis 4. Dezember 2019 fand in New York ein „Informal Intersessional Meeting“ der „Open-Ended Working Group“ (OEWG) statt. Erstmalig wurde damit im Rahmen der UNO beim Thema „Frieden und internationale Sicherheit“ zwischen Regierungen und nicht-staatlichen Akteuren ein strukturierter, offener und gleichberechtigter Dialog geführt;
- die erste formelle Sitzung der 6. UN Group of Governmental Experts (UNGGE6), fand vom 8. bis 13. Dezember 2019 in New York statt. Im Mittelpunkt standen die Berichte von den fünf regionalen Konsultationen der UNGGE mit der OSZE, AU, ASEAN, OAS und der EU;
- Im Bericht des Vorsitzenden der Group of Governmental Experts zu tödlichen autonomen Waffensystemen (GGE LAWS) vom 8. November 2019 wurde ein Arbeitsplan für 2020 und 2021 vereinbart;
- Beim NATO-Gipfeltreffen am 3. und 4. Dezember 2019 in London bekräftigten die Staats- und Regierungschefs ihre Strategie zur Verbesserung der NATO-Fähigkeiten, auf Cyberangriffe entsprechend reagieren zu können;
- Die Afrikanische Union (AU) hat am 12. Dezember 2019 eine neue Expertengruppe für Cybersicherheit (African Union Cybersecurity Expert Group/AUCSEG) gegründet;
- Auf der 7. INTERPOL-Europol Konferenz (9. – 11. Oktober 2019 in Den Haag) wurde eine neue Kampagne zur Cybercrime-Prävention gestartet und ein Programm zur Schaffung von größerem öffentlichem Bewusstsein für die Gefahren von Cyberkriminalität unter dem Namen „#BECareful“ verabschiedet.
Im Bereich der digitalen Wirtschaft schälen sich als zentrale Konfliktfragen die Themen digitaler Handel, digitale Steuer, digitale Währung und die digitale Dimension der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN (SDGs) heraus. Zentraler Platz der Auseinandersetzung wird zunehmend die Welthandelsorganisation (WTO). Vorbereitet werden die Verhandlungen primär von der OECD und den G20 Ministerkonferenzen. Im Einzelnen waren im 4. Quartal 2019 die folgenden Aktivitäten relevant:
- Digitaler Handel (Osaka Track): Das aus dem Jahre 1998 stammenden Moratorium zu Nichtbesteuerung von eCommerce wurde im Dezember 2019 um ein halbes Jahr, d.h. bis zur 12. WTO Ministerkonferenz (Nursultan, Kasachstan, Juni 2020), verlängert.
- Digitalsteuer: Die OECD hat im Oktober 2019 einen Vorschlag zur Einführung eines globalen Mechanismus für eine Digitalsteuer zur öffentlichen Diskussion gestellt. Das Thema stand auch auf der Tagesordnung des Treffens der G20-Außenminister im November 2019 in Nagoya. In dem am 1. Dezember 2019 vorgestellten Arbeitsprogramm der saudi-arabischen G20-Präsidentschaft für 2020 ist das Thema Digitalsteuer eine der Prioritäten. Das Europäische Parlament hat am 21. Dezember 2019 eine Resolution verabschiedet, die für den Fall, dass bis Ende 2020 keine globale Regelung für die Einführung einer Digitalsteuer erreicht wird, einen europäischen Alleingang fordert;
- Kryptowährung: Das von Facebook verfolgte Projekt einer neuen, internetbasierten Kryptowährung (LIBRA) ist auf weitere Hindernisse gestoßen. Einige private Partner wie PayPal, Visa, Mastercard und eBay sind aus dem Konsortium ausgestiegen. Die Schweizer Regierung hat einen ersten Lizenzantrag abgelehnt.
- Digitalisierung und SDG: UNO, ITU und UNESCO drängen darauf, die Umsetzung der Beschlüsse des UN-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft enger mit den Aktivitäten zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN zu verbinden, insbesondere auch mit Blick auf die für 2025 geplante WSIS-Überprüfungskonferenz (WSIS+20).
Digitale Themen standen bei der Diskussion von Menschenrechten im 3. Ausschuss der 74. UN-Vollversammlung (Oktober – Dezember 2019) nicht im Vordergrund. Es wurden keine gesonderten Resolutionen zu den Themen Meinungsäußerungsfreiheit und Privatsphäre im digitalen Zeitalter verabschiedet. Nach wie vor stoßen Vorschläge der beiden Sonderberichterstatter des UN Human Rights Council (HRC) – David Kaye und Joe Catenacci – zur Ausarbeitung neuer völkerrechtlicher Instrumente, z.B. zum Verbot einer anlasslosen Massenüberwachung, auf Ablehnung bei der Mehrheit der Mitglieder des HRCs. Während in den Bereichen Cybersicherheit und Digitalwirtschaft eine Verlagerung der Diskussion von nicht-staatliche in staatliche Gremien zu beobachten ist, gibt es im Bereich der Menschenrechte einen entgegengesetzten Trend: In zwischenstaatlichen Gremien rücken internetrelevante Menschenrechtsthemen an den Rand, bei den NGOs (Reporter ohne Grenzen, Freedom House, Human Rights Watch etc.) rücken sie stärker in den Vordergrund.
Im Bereich neuer Technologien ging es auch im 4. Quartal 2019 vor allem um künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und 5G. Dabei werden technische Standardisierungsfragen, wie technische Standards zu Gesichts- und Spracherkennung, Smart Cities, DNS und E-Mail-Protokolle, mehr und mehr zum Gegenstand von politisch kontroversen Diskussionen. Im Einzelnen waren im 4. Quartal 2019 die folgenden Aktivitäten relevant:
- Die 40. Generalkonferenz der UNESCO gab grünes Licht für die Ausarbeitung eines normativen Instruments zur künstlichen Intelligenz.
- Der Europarat, die UNESCO und das Weltwirtschaftsforum Davos (WEF) publizierten neue Studien zur ethischen und menschenrechtlichen Dimension von künstlicher Intelligenz;
- Die in den ITU-T Study Groups 16 und 20 behandelten Standardisierungsthemen zum Internet der Dinge (insbesondere zu Smart Cities und Face Recognition) werden zunehmend politisiert;
- Die Transaktion der .org-Domain, d.h. der Verkauf der Public Internet Registry (PIR) durch ISOC an Ethos Capital hat eine kontroverse Debatte über die Rolle der sogenannten I*Organisationen (ISOC, IETF, ICANN, NRO etc.) und ihre Verantwortung für das öffentliche Interesse im Internet ausgelöst.
Stakeholder
Die sich seit einigen Jahren abzeichnende Tendenz, dass mehr und mehr Themen aus dem Internet Governance Ecosystem in zwischenstaatlichen Gremien besprochen werden, setzte sich auch im 4. Quartal 2019 fort. Die Feststellung im Bericht des UN High-Level Panel on Digital Cooperation, dass (zwischenstaatlicher) Multilateralismus und (von nicht-staatlichen Akteuren angeführter) Multistakeholderismus keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille sind, reflektiert die neue Wirklichkeit, wobei sich das je nach Sachbereich differenziert darstellt: Regierungsgremien dominieren die Diskussion zu Cybersicherheit und Digitalwirtschaft und halten sich bei den Menschenrechten zurück, versuchen aber zunehmend Einfluss zu gewinnen in den technischen Standardisierungsorganisationen, um bei Themen wie künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und besonders 5G die Diskussionsführung zu übernehmen. Für die einzelnen Sachbereiche ergibt sich daher ein sehr unterschiedliches Bild, wenn es um eine „enhanced multistakeholder cooperation“ geht.
Von den Aktivitäten auf zwischenstaatlicher Ebene sind im 4. Quartal 2019 herauszuheben:
- Die 74. UN-Vollversammlung, die im Dezember 2019 in New York insgesamt sechs Resolutionen zu digitalen Themen verabschiedet hat.
- Die 40. UNESCO Generalkonferenz, die im November 2019 in Paris beschlossen hat, ein normatives Instrument zum Thema „künstliche Intelligenz“ auszuarbeiten und den Startschuss für die Vorbereitung der WSIS-Überprüfungskonferenz (WSIS+20) für das Jahr 2025 abgegeben hat.
- Die Welthandelsorganisation (WTO), die am 10. Dezember 2019 in Genf das seit 1998 geltenden Moratorium zur Nichtbesteuerung von eCommerce bis zur 12. WTO-Ministerkonferenz (Juni 2020 in Kasachstan) verlängert hat.
- Die OECD, die im Oktober 2019 in Paris einen Vorschlag für einen globalen Mechanismus zur Digitalsteuer zur öffentlichen Diskussion gestellt hat;
- Die ITU-Konferenz zur Frequenzkoordinierung, die im November 2019 in Sharm el Sheikh wichtige Standards für die Zukunft von mobiler und Satellitenkommunikation, darunter für 5G, verabschiedet hat.
- Die G20-Präsidentschaft, die Saudi-Arabien am 1. Dezember 2019 übernommen hat und bei der die Themen digitaler Handel und Digitalsteuer zentrale Punkte der Verhandlungen sein werden.
- Das 11. BRICS-Gipfeltreffen am 13. und 14. November 2019 in Brasília, das sich erneut – wenngleich ohne konkrete Beschlüsse – zu den Themen Cybersicherheit und digitale Wirtschaft geäußert hat.
- Die Europäische Union, wo das Europäische Parlament im Dezember 2019 in Straßburg eine Resolution zur Digitalsteuer verabschiedet hat und für den Fall, dass es bis Ende 2020 keine globale Lösung gibt, einen europäischen Alleingang fordert.
- Der Europarat, der zwei neue Studien von Expertengruppen zur künstlichen Intelligenz und Verantwortung sowie zu rechtlichen Fragen von Beleidigungen im Internet im Oktober 2019 veröffentlicht hat.
- Die Afrikanische Union, die im November 2019 in Addis Abeba ein neues afrikanisches Expertengremium für Cybersicherheit gebildet hat.
- Die NATO, die bei ihrem Londoner Gipfeltreffen im Dezember 2019 erneut auf die Gefahren im Cyberspace hingewiesen und die Strategie einer erweiterten Cyberabwehr bekräftigt hat.
- Die Fortsetzung der Verhandlungen zu Cybersicherheitsfragen in der Open-Ended Working Group (OEWG), der 6th Group of Governmental Experts (UNGGE6) und der Group of Governmental Experts on Lethal Autonomous Weapons Systems (GGE LAWS) in New York und Genf.
Von den Aktivitäten auf der Multistakeholder Ebene sind im 4. Quartal 2019 die folgenden wichtigen Aktivitäten herauszuheben:
- Das 14. Internet Governance Forum (IGF) im November 2019 in Berlin war das bislang größte und erfolgreichste IGF seit seiner Gründung im Jahr 2006.
- Das 2. Paris Friedensforum im November 2019 diskutierte die Umsetzung des „Paris Call for Trust and Security in Cyberspace“ vom November 2018.
- Die 6. World Internet Governance Conference (WIC), die die chinesische Regierung seit 2014 in Wuzhen organisiert, verabschiedete einen neuen „Wuzhen Outlook“, der die chinesische Sichtweise jüngster Entwicklungen zu Internet Governance reflektiert.
- Der von Web-Gründer Sir Tim Berners-Lee initiierte „Contract for the Web“ wurde unmittelbar vor dem 14. IGF in Berlin am 23. November 2019 unterzeichnet.
Auf der nicht-staatlichen Ebene sind im 4. Quartal 2019 folgende wichtige Aktivitäten herauszuheben:
- Die Global Commission on Stability in Cyberspace (GCSC) präsentierte ihren Abschlussbericht „Advancing Cyberstability“ beim Pariser Friedensforum (12. November 2019), beim IGF in Berlin (27. November 2019) und bei der Informal Intersessional OEWG-Sitzung in New York (4. Dezember 2019).
- Das Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) veröffentlichte zwei Studien zu Cyberfragen.
- Die Münchener Sicherheitskonferenz (MSC) veranstaltete ihren jährlichen Cyber Security Summit im November 2019 in Berlin.
- Das Global Forum on Cyber Expertise veranstaltete seine Jahressitzung im Oktober 2019 in Addis Abeba und wird zukünftig in eine Stiftung überführt.
- Der Lissabon Websummit (November 2019) hat sich mit 70.000 Teilnehmer zu einer der weltgrößten Internetkonferenzen entwickelt.
- Der jährliche Bericht des „Freedom Forum“ über Entwicklungen der weltweiten Internet-Freiheiten „Freedom on the Net 2019: The Crisis of Social Media“ konstatiert eine weitere Zunahme von Zensur und Einschränkungen im Internet, vor allem in den sozialen Netzwerken.
"Denn wir müssen sozusagen klären, was wir damit meinen, auf der einen Seite unsere digitale Souveränität behalten zu wollen und uns auf der anderen Seite nicht abschotten, sondern multilateral agieren zu wollen. Natürlich ist digitale Souveränität von großer Bedeutung. Aber es kann sein, dass wir auf der Welt inzwischen Unterschiedliches verstehen, auch wenn wir den gleichen Begriff benutzen. Nach meinem Verständnis bedeutet digitale Souveränität nicht Protektionismus oder Vorgabe von staatlichen Stellen, was an Informationen verbreitet werden kann – also Zensur –, sondern beschreibt vielmehr die Fähigkeit, sowohl als Individuum, als einzelne Person, als auch als Gesellschaft die digitale Transformation selbstbestimmt gestalten zu können. Das heißt, auch in der digitalen Welt gilt: Technische Innovationen haben dem Menschen zu dienen – und nicht umgekehrt. Wir als diejenigen, die in Deutschland durch das System der Sozialen Marktwirtschaft erfolgreich geworden sind, wissen, dass technische Innovationen, dass Unternehmen sich nicht einfach frei entwickeln können, sondern dass sie immer auch Leitplanken brauchen. Das war bei der industriellen Revolution so und das wird auch im Zeitalter des Internets so sein müssen. Das heißt, wir brauchen Souveränität über das, was geschieht. Deshalb ist es gerade auch Ausdruck der Souveränität, für ein gemeinsames, freies, offenes und sicheres globales Internet einzutreten, wenn wir davon überzeugt sind, dass Abschottung kein Ausdruck von Souveränität ist, sondern dass wir ein gemeinsames Werteverständnis zugrunde legen müssen. Denn was wären sonst die Folgen, wenn wir auf Abschottung setzen würden? Die Folgen eines zunehmend zersplitterten Internets sind aus meiner Sicht nie gut. Sie können vielfältig sein, aber sie sind nie gut. Die globale Infrastruktur könnte instabil und anfällig für Attacken werden. Es gäbe mehr Überwachung. Staatliches Filtern und Zensur von Informationen würden zunehmen. Vielleicht würde sogar das Internet- und Mobilfunknetz abgeschaltet, um die Kommunikation der Bevölkerung zu verhindern. Das heißt also: der Angriff auf die Internetkonnektivität, die der Grundpfeiler des freien, offenen Internets ist, ist zu einem gefährlichen Instrument der Politik geworden. Viele wissen aus eigenem Erleben, wie das ist. Solche Angriffe können den Menschen die Grundrechte auf Information und Kommunikation vorenthalten. Das führt die grundlegende Idee des Internets, die Idee seiner Erfinder, ad absurdum. Deshalb muss es uns allen ein Anliegen sein, den Kern des Internets als globales öffentliches Gut zu schützen. Und das geht nur, wenn wir über die Governance-Strukturen dieses globalen Netzes neu nachdenken, das uns alle verbindet."
Angela Merkel, Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, 14. UN Internet Governance Forum, Berlin, 26. November 2019