Entwicklungen im Internet Governance Umfeld im August 2022:
Auf dem Weg zu einem IGF+ hat UN-Generalsekretär António Guterres am 15. August 2022 zehn Mitglieder des in seiner „Roadmap for Digital Cooperation“ (Juni 2020) angekündigten „IGF Leadership Panel“ (ILP) benannt. Das ILP soll dem IGF größere politische Relevanz verschaffen und helfen, die Multistakeholder-IGF-Diskussionen mit den multilateralen UN-Verhandlungen zu verbinden. Im 15-köpfigen ILP sind je zwei Vertreter von Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, technischer Community und der sogenannten „At Large“ vertreten. Dazu kommt der Vorsitzende der IGF Multistakeholder Advisory Group (MAG), Paul Mitchell, der neu ernannte UN-Technology Envoy, Amandeep Singh Gill, sowie eine Troika der vorherigen, aktuellen und zukünftigen IGF-Gastgeber (Polen, Äthiopien und Japan). Zu den zehn neu benannten Mitgliedern gehören Vint Cerf, Vater des Internet, Toomas Hendrik Ilves, ehemaliger Präsident von Estland, und Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa von den Philippinen. Weitere Mitglieder sind die Generaldirektorin von ETNO, Lise Fuhr (Dänemark), die neue Präsidentin der Internationalen Handelskammer (ICC), Maria Fernanda Garza aus Mexico, Lan Xue, Rektor des Schwarzman College der Tsinghua University aus Beijing, sowie die österreichische Europaministerin Karoline Edtstadler.
Am 3. August 2022 wurde Nathaniel Fick als neuer amerikanischer Cyberbotschafter vom US-Senat bestätigt. Dieser neue Posten war auf Empfehlung der „Cyberspace Solarium Commission“ (CSC) geschaffen worden. Die CSC – eine parteiübergreifende Expertengruppe aus beiden Häusern des US-Kongresses – hatte noch unter der Trump-Regierung eine grundlegende Neu-Ausrichtung der amerikanischen Internet-Politik empfohlen. Das neue „Bureau of Cyberspace and Digital Policy“ ist jetzt der zentrale Koordinator der US-Cyberpolitik für Cybersicherheit, Cyberkriminalität, Sicherheit von digitalen Infrastrukturen, neue Technologieentwicklungen, grenzüberschreitenden Datenfluss, digitale Entwicklungshilfe und Menschenrechte. Nathaniel Fick war CEO der Cybersicherheitsfirma „Endgame“ und vorher bei der US-Marine. Bekannt wurde er durch seinen Bestseller „One Bullet Away: The Making of a Marine Officer“. Bei seiner Anhörung argumentierte Fick, dass an der „Technologiefront“ die entscheidenden politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen im 21. Jahrhundert stattfinden. Er skizzierte seinen Aufgabenbereich in Form einer Triade: 1. Engere Zusammenarbeit mit den westlichen Verbündeten, 2. klare Kante gegenüber Autokraten und 3. Stärkung der eigenen technologischen und institutionellen Basis.
Am 29. August 2022 begann in New York die dritte Verhandlungsrunde zur Ausarbeitung einer neuen UN-Konvention zur Bekämpfung von Cyberkriminalität. Nachdem Einigung über die Grundstruktur des neuen Vertrages erzielt wurde, geht es nun erstmals um Formulierungen für konkrete Artikel. Strittig sind vor allem die Definition von kriminellen Handlungen im Cyberspace sowie grenzüberschreitende Verfahren der Strafverfolgung. Im Vorfeld der 3. Sitzung hatte die Vorsitzende des „Ad Hoc Committee“ (AHC), die algerische Botschafterin Faouzia Boumaiza Mebarki, 48 Fragen verschickt. Die Antworten werden bis zum 9. September 2022 diskutiert.
Am 4. August 2022 hat das „Global Forum on Cyber Expertise“ (GFCE) eine „Global Conference on Cyber Capacity Building“ für Februar 2023 in Washington angekündigt. Das als „Weltkonferenz“ titulierte Meeting wird mit der Weltbank, dem Davoser Weltwirtschaftsforum und dem CyberPeace Institute in Genf organisiert.
Im August 2022 flammte in einigen ICANN Constituencies erneut eine Diskussion über das Verhältnis von Blockchain zum Domainname System (DNS) auf. Auslöser war die Zunahme der Registrierung von Namen im sogenannten „Ethereum Name Service“ (ENS). Das ENS ist ein offenes, verteiltes und erweiterbares Benennungssystem, das direkt mit der Ethereum-Blockchain interagiert. Ähnlich wie das DNS hilft das ENS maschinenlesbare Adressen wie “0xd0eAf74B8c5bF457C7a81c3fe277aDb6Ed32DCF4” in eine von Menschen lesbare Adresse wie “name.eth” abzubilden. Ziel der ENS-Domains ist es, die Nutzernamen des Web3 und des Metaverse zu werden. Die Domains werden von sogenannten „Dezentralen autonomen Organisationen“ (DAOs) verwaltet. Sie können Krypto-Wallets, Websites, Inhalts-Hashes und Metadaten speichern. Die Besitzer können all ihre Krypto-Wallets auf einer einzigen ENS-Domain verbinden und Kryptowährungen oder NFTs empfangen. Bei ICANN war man sich einerseits darüber einig, dass Blockchain außerhalb des Mandats von ICANN liegt. Auf der anderen Seite kann eine weitere Verbreitung von „.eth-Namen“ (bislang sind über eine Million .eth Adressen registriert) zu einer Konfusion bei Endnutzern führen. „.eth“ ist keine im ICANN Root eingetragene Top-Level-Domain. Die Entwicklung sollte daher von ICANN aufmerksam beobachtet werden.