Die Domain-Industrie steht an einem Wendepunkt. Vor 20 Jahren brachte die Einführung des Extensible Provisioning Protocol (EPP) Ordnung und Standardisierung in die bis dahin fragmentierte Welt der Domain-Provisionierung. Seitdem hat EPP als Fundament der Kommunikation zwischen Registries und Registraren gedient. Doch neue technische Möglichkeiten und sich wandelnde Anforderungen eröffnen Raum für eine Weiterentwicklung.
Im Jahr 2024 könnte mit dem RESTful Provisioning Protocol (RPP) eine neue Ära beginnen. Die Initiative, die von DENIC und anderen führenden Organisationen vorangetrieben wird, hat das Ziel, ein modernes, REST-basiertes Protokoll zu schaffen, das EPP ergänzt und die Integration in der Domain-Industrie noch einfacher und kosteneffizienter gestaltet.
Die Entstehung von EPP: Eine Erfolgsgeschichte der Standardisierung
In den frühen 2000er-Jahren war die Domain-Provisionierung geprägt von individuellen Schnittstellen der Registries. Jede Lösung war anders, und Registrare mussten hohe Kosten und technischen Aufwand in Kauf nehmen, um mit verschiedenen Registries zu kommunizieren.
2004 brachte die Verabschiedung des ersten EPP-Standards (RFCs 5730–5734) die dringend benötigte Standardisierung. Die Finalisierung als STD 69 im Jahr 2009 markierte einen Meilenstein, der die globale Skalierung und Effizienz der Domain-Industrie ermöglichte. EPP wurde zum Grundpfeiler der Kommunikation zwischen Hunderten von Registries und Tausenden von Registraren. Besonders in der gTLD-Welt ist EPP unverzichtbar, hat sich jedoch auch in der ccTLD-Landschaft etabliert.
Neue Herausforderungen: Die Grenzen von EPP
Auch wenn EPP weiterhin eine solide Basis bietet, so hat sich die IT-Landschaft seit seiner Einführung erheblich weiterentwickelt. Moderne APIs basieren auf der REST-Architektur, nutzen JSON für Datenaustausch und profitieren von einem Ökosystem standardisierter Werkzeuge wie OpenAPI, API-Gateways und Autorisierungsservern.
Die zunehmende Verbreitung von RESTful Schnittstellen, etwa bei ccTLDs wie .ee, zeigt, dass die Domain-Industrie offen für Innovation ist. Viele Registrare bevorzugen inzwischen RESTful APIs aufgrund ihrer leichten Integration und Agilität. Doch diese Entwicklung birgt Risiken: Ohne Standardisierung könnte die Branche in die Fragmentierung der Prä-EPP-Ära zurückfallen, mit steigenden Kosten und operativen Komplexitäten.
Was ist RPP?
Das RESTful Provisioning Protocol (RPP) soll als moderne Ergänzung zu EPP dienen. Es setzt auf die REST-Architektur und JSON als Datenformat, um die Provisionierung von Domains einfacher und effizienter zu gestalten.
RPP soll die Vorteile moderner Technologien nutzen und ein flexibles, skalierbares Protokoll schaffen. Es zielt darauf ab:
- eine funktionale Entsprechung zu den Kernfunktionen von EPP (Domain-, Host- und Kontaktverwaltung) bereitzustellen;
- Erweiterbarkeit für zukünftige Anwendungsfälle zu ermöglichen;
- neue Funktionen zu definieren, die über EPP hinausgehen.
Der Fokus liegt auf Koexistenz, nicht auf Ersatz: RPP ist als ergänzender Standard gedacht, der EPP nicht ablöst. Stattdessen können Registries und Registrare beide Protokolle parallel nutzen, um unterschiedliche Anforderungen zu erfüllen.
Der Weg zur Standardisierung bei der IETF
Die Diskussion über RPP begann 2023 auf einem Workshop des CENTR Tech/R&D Meetings in Paris. Dort einigten sich mehrere ccTLD-Registries darauf, dass ein gemeinsamer Standard für RESTful Provisioning erforderlich ist. Diese Initiative führte schließlich zur Vorstellung des Konzepts bei der Internet Engineering Task Force (IETF).
Von der Idee zur Arbeitsgruppe
Die ersten Diskussionen fanden bei den IETF-Meetings 118 (Prag), 119 (Brisbane) und 120 (Vancouver) statt. Das entscheidende „Birds of a Feather“ (BoF)-Meeting, bei dem die Gründung einer Arbeitsgruppe evaluiert wird, fand bei IETF 121 in Dublin statt.
Experten wie Pawel Kowalik (DENIC - .de), Timo Võhmar (Estonian Internet Foundation - .ee) und Maarten Wullink (SIDN - .nl) präsentierten die Motivation hinter RPP, erste Erfahrungen mit RESTful Provisioning und mögliche technische Ansätze. Die Diskussionen waren lebhaft und kontrovers. Während viele Teilnehmer die Initiative begrüßten, äußerten einige Bedenken hinsichtlich der Koexistenz von EPP und RPP.
Am Ende des Meetings zeigte eine Umfrage breite Unterstützung für die Gründung der Arbeitsgruppe. Die endgültige Entscheidung wird von der Internet Engineering Steering Group (IESG) erwartet und soll vor dem nächsten IETF-Meeting im März 2024 fallen.
Die Rolle von DENIC und Einladung zur Teilnahme
DENIC hat vom Anfang eine führende Rolle bei der Gestaltung von RPP eingenommen. Als eine der zentralen Organisationen hinter der Initiative lädt sie alle Registries, Registrare, Reseller und andere Akteure der Domain-Branche ein, sich an der Arbeit zu beteiligen.
Die Einstiegshürden sind niedrig: Die Mailingliste der RPP-Arbeitsgruppe ist offen für alle Interessierten, und neue Mitglieder sind bei den IETF-Meetings – ob vor Ort oder virtuell – herzlich willkommen. Gemeinsam mit der globalen Community soll ein Standard geschaffen werden, der die Domain-Industrie in die nächste Entwicklungsphase führt.
Ausblick: Chancen und Herausforderungen
RPP bietet die Möglichkeit, die Integration zwischen Registries und Registraren weiter zu vereinfachen, neue Marktteilnehmer zu fördern und Innovationsprozesse zu beschleunigen. Gleichzeitig bleibt die Herausforderung, die Vorteile von EPP zu bewahren und eine erneute Fragmentierung zu vermeiden.
Die kommenden Monate werden entscheidend sein. Mit der erwarteten Gründung der Arbeitsgruppe könnte RPP den Grundstein für die nächste Generation der Domain-Provisionierung legen und gleichzeitig die Werte der Standardisierung und Zusammenarbeit bewahren, die die Branche so erfolgreich gemacht haben.
Zusammenfassung
Das neue RESTful Provisioning Protocol (RPP), entwickelt von Organisationen wie DENIC, ergänzt das etablierte Extensible Provisioning Protocol (EPP). RPP nutzt moderne Technologien wie REST-Architektur und JSON, um Integration und Effizienz zu steigern, ohne die Standardisierung aufzugeben. Ziel ist es, die Domain-Provisionierung zu vereinfachen, neue Funktionen zu ermöglichen und Fragmentierung zu vermeiden. Die Standardisierung durch die IETF wird vorangetrieben, unterstützt durch eine breite Community. RPP könnte eine neue Ära der Flexibilität und Zusammenarbeit in der Domain-Branche einläuten.