Entwicklungen im Internet Governance-Umfeld im Dezember 2024

Entwicklungen im Internet Governance-Umfeld im Dezember 2024

19. IGF in Riad verfasst 56 Messages

Mehr als 11.000 Teilnehmer (offline und online) aus 177 Ländern hatten sich für das 19. IGF in Riad (15. – 20. Dezember 2024) registriert. Eröffnet wurde das IGF von UN-Generalsekretär Guterres. Er verwies auf den Global Digital Compact (GDC), der das IGF als „the primary forum for discussion on Internet Governance“ anerkannt hat. Saudi-Arabiens Kommunikationsminister Abdullah Alswaha kritisierte die digitale Nord-Süd-Kluft und warnte vor einer „AI Divide“. In über 300 Sessions wurden nahezu alle Internetprobleme der Welt angesprochen. Die Ergebnisse sind in den „56 IGF Messages von Riyadh“ zusammengefasst. Erklärungen wurden vom „Governmental Track“ und dem „Parliamentarian Track“ verabschiedet. Beim 20. IGF (2025 in Oslo) soll erstmals ein „Judiciary Track“ stattfinden. Das Mandat des IGF läuft 2025 aus und muss von WSIS+20 erneuert werden.

UN-Resolution 79/194 zu ICT for Sustainable Development und der WSIS-Prozess

Am 19. Dezember verabschiedete die 79. UNGA die UN-Resolution 79/194 zu ICT for Sustainable Development die sich u.a. mit dem WSIS-Prozess befasst. Dabei kam es zu einer Kontroverse. Die US-Regierung wollte die GDC-Formulierung übernehmen, wonach des IGF „the primary forum for discussion on Internet Governance“ ist. Dies , wurde von den G77 abgelehnt. Diese Mehrheit setzte auch durch, dass in para. 40 „the importance of enhanced cooperation in the future“ erwähnt wird. In der Tunis Agenda von 2005 stand die Formulierung „enhanced cooperation“ für den Wunsch einiger UN-Staaten ein zwischenstaatliches Aufsichtsgremium für ICANN zu schaffen. Die Modalitäten für die WSIS+20 Überprüfungskonferenz sollen bis 31. März 2025 geklärt werden. Dann sollen zwei „co-facilitators“ für „open intergovernmental consultations“ benannt werden. Nicht-staatliche Akteure sollen jedoch von Anfang an einbezogen werden („involving the input and participation of all stakeholders in the review process, including in the preparatory process“).

KI-Regeln gegen Missbrauch und für Inklusion

Ein KI-Expertenbriefing (Fei Fei Li/Stanford, Yann LeCun/Meta und Jacob T. Schwartz/New York University) fand am 19. Dezember 2024 im UN-Sicherheitsrat unter Vorsitz von US-Außenminister Blinken statt. Nach Meinung von Blinken kann KI helfen, 80% der SDGs zu erreichen, aber „it can also be deployed for destructive and hard-to-trace cyberattacks“. Die „AI Safety Institutes“ könnten helfen, KI-Missbrauch einzudämmen. Chinas Botschafter Fu Cong sagte:AI technology is not a cake for a small group of people, nor should its global governance be determined by just a small number of countries. China firmly opposes the practice of imposing on others the rules formulated by a small number of countries.“ Russland bot technische Hilfe für den globalen Süden an und forderte KI-Algorithmen auf der Basis kultureller und nationaler Spezifikationen unterschiedlicher Zivilisationen. UN-Generalsekretär Guterres sagte: „Recent conflicts have become testing grounds for AI military application. Algorithms, from intelligence-based assessments to target selection, have reportedly been used in making life-and-death decisions.  Artificial intelligence without human oversight would leave the world blind…. The integration of AI with nuclear weapons must be avoided at all costs. … We must never allow AI to stand for ‘Advancing Inequality’ ”.

OEWG befürwortet neuen Cybersicherheitsmechanismus

Die 9. formelle Sitzung der Open Ended Working Group (OEWG) für Cybersicherheit fand vom 2. bis 9. Dezember 2024 in New York statt. Sie diskutierte die Schaffung eines neuen permanenten Mechanismusfür Cybersicherheit in der UNO, der nach dem 31. Dezember 2025 die Arbeit der OEWG fortsetzen sollte. Am 24. Dezember 2024 gab die UNGA mit der UN-Resolution 79/237 für diesen Fahrplan grünes Licht und bestätigte auch die beiden anderen OEWG-Projekte: Das „Point of Contact Directory“ (PoC) und das Global Portal on Cooperation and Capacity-Building“.

UN verabschiedet Cybercrime Convention

Am 24. Dezember 2024 verabschiedete die UN-Vollversammlung die im August 2024 fertiggestellte UN Cybercrime Convention (UN-Resolution 79/243). Die Zeremonie für die formelle Erstunterzeichnung findet im 1. Quartal 2025 in Hanoi statt. Die Konvention tritt nach Hinterlegung der 40. Ratifikationsurkunde in Kraft. Westliche Länder hatten nochmals Kritik an einigen schwammig Formulierungen geübt, aber letztlich der Konvention zugestimmt.

Europäische Rat beschließt Cyber Solidarity Act

Am 2. Dezember hat der Europäische Rat zwei weitere Gesetze zur Stärkung der Cybersicherheit in der EU verabschiedet: Das „Cyber Solidarity Act“ und einen Zusatz zum „Cyber Security Act“ (CSA). Mit den Gesetzen wird u.a. ein neues „Warnsystem für Cybersicherheit“ mit nationalen und grenzübergreifenden Cyber-Knotenpunkten in der gesamten EU befürwortet, die in Echtzeit auf unmittelbare Gefahren reagieren können.

Russland testet nationales Internet

Am 7. Dezember 2024 hat Russland erstmalig eine Abkoppelung vom globalen Internet getestet. Das entsprechende Gesetz wurde bereits 2019 verabschiedet. Der Test betraf drei kaukasische Regionen (Dagestan, Inguschetien und Tschetschenien).

Wolfgang Kleinwächter

Professor Emeritus of Internet Policy & Regulation at Aarhus University