Entwicklungen im Internet Governance-Umfeld im September 2024

Entwicklungen im Internet Governance-Umfeld im September 2024

Global Digital Compact einstimmig verabschiedet

Am 22. September 2024 wurde in New York der „Global Digital Compact“ als Annex zum UN Pact for the Future“ von 193 Staats- und Regierungschefs einstimmig verabschiedet. Die GDC enthält 13 Leitlinien und definiert fünf Ziele für die digitale Zukunft. Die digitale Kluft soll überwunden und mit der Verwirklichung von Menschenrechten verknüpft werden. Die digitale Transformation muss die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) unterstützen. Es bedarf einer „Data Governance“ und Regeln für den grenzüberschreitenden Datenfluss. Es gibt Empfehlungen zur Datenintegrität, Cybersicherheit und zur Entwicklung der Digitalwirtschaft. Bei KI sollen Risiken minimiert, Chancen maximiert und das Entstehen eines neuen Nord-Süd-KI-Gefälles verhindert werden. Gegründet wird ein KI-Rat der UNO, ein jährlicher KI-Dialog und ein GDC/KI-Büro beim UN TechEnvoy. Der Multistakeholder Approach für Internet Governance wird bestätigt, aber nicht weiterentwickelt. Das betrifft auch das IGF. 2027 wird eine GDC-Überprüfungskonferenz am Rande der 82. UN-Vollversammlung in New York stattfinden.  

UN-Empfehlungen für KI im Dienste der Menschheit

Am 20. September 2024 legte die KI-Expertengruppe der UNO ihren Abschlussbericht „Governing AI for Humanity“ vor. Der UN-Bericht bezeichnet KI als eine der größten Herausforderungen der Menschheit. KI böte Möglichkeiten, Weltprobleme zu lösen, sei aber auch mit Risiken verbunden. Es gibt sieben Empfehlungen. „1. An international scientific panel on AI; 2. Policy dialogue on AI governance; 3. AI standards exchange; 4. AI Capacity development network; 5. Global fund for AI, 6. Global AI data framework, 7. AI office within the UN Secretariat“. Drei dieser Empfehlungen (KI-Panel, KI-Dialog und KI-Büro) sind bereits im „Global Digital Compact“ umgesetzt. Der UN TechEnvoy, Amandeep Singh Gil, war Mitglied des KI-Rates. Für Deutschland saß die grüne Bundestagsabgeordnete Anna Christian in diesem UN-KI-Expertenrat.

Neue EU-Digitalkommissarin benannt

Am 16. September 2024 wurden die neuen EU-Kommissare benannt. EU-Digitalkommissarin soll die ehemalige finnische Ministerin Henna Virkkunen werden. Sie erhält den Titel „Executive Vice-President for Tech Sovereignty, Security and Democracy“. Virkkunen ist verantwortlich für die Umsetzung der „Digitalen Dekade“ der EU bis 2030. Dazu gehört die Implementierung der KI-Strategie der EU, digitale Innovation, Ausarbeitung neuer Gesetze zur Cloud und zu digitalen Netzen und Umsetzung der angenommenen Gesetze (DSA, DMA, KI-Act, Chips Act, Media Freedom Act, NIS2 etc.) sowie Internet Governance. Sie steht zwei Generaldirektionen vor: DG CONNECT und DG DIGIT. Teilbereiche der digitalen Transformation werden von den neuen EU-Kommissarin Ribera (Wettbewerb), Séjourné,(Industriestrategie), Mînzatu (Bildung), Zaharieva (Start-Ups, Forschung und Innovation), Kubilius (Verteidigung) und Kallas (Außenpolitik) bearbeitet. Das Europäische Parlament muss sie jedoch noch bestätigen.

G20-Digitalminister fordern digitale Inklusion für alle

Am 13. September 2024 fand in Maceió/Brasilien die Jahrestagung der G20-Digitalminister statt. Die „G20 Maceió Ministerial Declaration on Digital Inclusion for All“ beschwört „die Bedeutung des Aufbaus von Sicherheit, Widerstandsfähigkeit, Sicherheit und Vertrauen und der Schaffung einer förderlichen, inklusiven, offenen, fairen, nichtdiskriminierenden, sicheren und nachhaltigen digitalen Wirtschaft, die den Menschen und seine Entwicklung in den Mittelpunkt stellt und den Schutz, die Förderung und die uneingeschränkte Wahrnehmung der Menschenrechte ermöglicht“. Konkrete Beschlüsse wurden nicht gefasst. Diskutiert wurden u.a. „universal and meaningful connectivity“ für den globalen Süden, Förderung der „Digital Public Infrastructure“ (DPI), Fake News und Desinformation sowie künstlicher Intelligenz.

FOC stellt UN-Konvention gegen Cyberkriminalität in Frage

Am 16. September 2024 empfahl das Advisory Board der „Freedom Online Coalition“ (FOC) die im August 2024 ausgehandelte UN-Konvention gegen Cyberkriminalität abzulehnen. Die Konvention würde wenig zur Verringerung der Internetkriminalität beitragen, dafür autoritären Staaten die Möglichkeit geben, Zensur und Überwachung unter Berufung auf internationales Recht zu legitimieren.

NATO CCS fordert bessere Cyberabschreckung

Am 5. September 2024 fand in Sydney der zweite NATO Cyber Champions Summit (CCS) statt. James Appathurai, stellvertretender NATO-Generalsekretär für hybride Kriegführung und Cyber, warnte vor eine Zunahme von Cyberangriffen und forderte, dass die NATO ein höheres Maß an Abschreckung gegen Bedrohungen im Cyberspace entwickeln müsse. Der CCS soll Militär, Wirtschaft, technische Community und andere Stakeholder zusammenbringen, um aktuelle politische und militärische Herausforderungen im Cyberspace besser einschätzen zu können. Er fand erstmal 2023 in Litauen statt. 2025 wird Korea Gastgeber sein. 

Plädoyer für das Multistakeholder-Modell

Am 2. September 2024 veröffentlichte die neue „Technical Community Coalition on Multistakeholderism“ (TCCM) ein Statement zur bevorstehenden Sitzung der ITU-CWG Internet (Genf, Oktober 2024). Die CWG-Internet war jüngst immer wieder Schauplatz der Auseinandersetzung zu staatlichen Aufsichtsmodellen für das Management von Domainnamen und IP-Adressen. In der Erklärung heisst es: „The multi-stakeholder approach fosters diversity, accountability and transparency that cannot be replicated in intergovernmental environments alone. It also ensures that decision-making about the Internet and its governance isn’t led by individual nation-based political interests. The multistakeholder approach is the appropriate model to govern the Internet“.

Wolfgang Kleinwächter

Professor Emeritus of Internet Policy & Regulation at Aarhus University