Monatlicher Bericht 08/2023 – Zusammenfassung

Monatlicher Bericht 08/2023 – Zusammenfassung

Entwicklungen im Internet Governance Umfeld im August 2023

Förderung Digitaler Kompetenz und Cybersicherheit

Am 18. und 19. August 2023 fand in Bengaluru die jährliche G20 Konferenz der Digitalminister statt. Das aus 29 Paragraphen und drei Anhängen bestehende „Outcome Document“ enthält Empfehlungen zum Ausbau der digitalen Infrastruktur im öffentlichen Bereich, zur Stärkung von Cybersicherheit in der digitalen Wirtschaft und zu neuen digitalen Ausbildungsinitiativen. Die Minister setzen sich für eine “enabling, inclusive, open, fair, non-discriminatory and secure digital economy“ ein. Das verabschiedete „Framework for Systems of Digital Public Infrastructure“ betont die Prinzipien „Interoperability“ und „Multistakeholderism“. Das Multistakeholderprinzip wird auch in den „G20 High Level Principles to support Business und Building Safety, Security, Resilience and Trust in the Digital Economy“ beschworen. Digitale Sicherheit sei für eine funktionierende Digitalwirtschaft eine Schlüsselfrage. Dabei anerkennen die Minister, dass „the G20 is not the forum to resolve security issues, but we acknowledge, that security issues can have significant consequences for the global economy.“ Im Unterschied zur 2021er Digitalministerkonferenz in Indonesien haben Russland und China dem Abschlussdokument zugestimmt, aber Vorbehalte gegen Paragraph 24, der sich mit dem Ukraine Krieg befasst, in einer Fußnote verankert. http://www.g20.utoronto.ca/2023/230819-digital.html

Das Gipfeltreffen der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) fand am 23. August 2023 in Johannesburg statt. Die Schlussdeklaration enthält Abschnitte zu Cybersicherheit und Digitalwirtschaft. Unterstützen werden die Verhandlungen zur UN-Konvention gegen Cyberkriminalität und die Arbeit der OEWG zu Cybersicherheit. Die UN solle bei Internet Governance eine führende Rolle spielen und ausgerichtet werden auf die nachhaltigen UN-Entwicklungsziele (SDGs). Einen Verweis auf den „Global Digital Compact“ gibt es nicht. Gefordert wird eine erweiterte „Intra-BRICS-Kooperation“sowohl beim Thema Cybersicherheit (bilaterale Cybersicherheitsverträge) als auch beim Ausbau der Digitalwirtschaft (BRICS Partnership on New Industrial Revolution). „Kritische Internet Ressourcen“ und die Rolle der ITU finden keine Erwähnung. China und Russland hatten das beim Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) im Mai 2023 aufgeworfen. Am 1. Januar 2024 werden sieben neue Länder BRICS beitreten (BRICS+): Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi Arabien und die Vereinigen Arabischen Emirate. Der BRICS Gipfel 2024 findet in Kasan/Russland statt. Weitere Information

Der Global Digital Compact

Die Diskussion um den „Global Digital Compact“ (GDC) und die Zukunft des IGF hat sich im August 2023 weiter verdichtet. Die technische Community sieht eine Marginalisierung ihrer Rolle in einem von der UNO angeführten Internet Governance-Ökosystem. Der Vorschlag für ein neues UN-basiertes „Digital Cooperation Forum“ (DCF) stößt auf Widerspruch. Unklarheiten gibt es über die weitere Umsetzung des Multistakeholdermodells bei der Ausarbeitung eines GDC auf dem Weg zum UN-Zukunftsgipfel (September 2024)

·       ICANNsPräsidentin Sally Costerton, APNIC Chair Paul Wilson und ARIN Präsident John Curran haben sich in einem Blogpost kritisch zum GDC geäußert. Der im Policy Brief No.5 von UN-Generalsekretär António Guterres vorgeschlagene trilaterale Ansatz wird zurückgewiesen. „The statement suggests that there is a new "tripartite" model for digital cooperation… This model excludes the technical community as a distinct component, and overlooks the unique and essential roles played by that community's members separately and collectively“. Die technische Community sei nicht Teil der „Zivilgesellschaft sondern eine eigene Stakeholdergruppe. „It will certainly continue to play its critical roles in the future of the Internet, and it behooves the U.N. to recognize this reality in its formulation of any future processes related to Internet governance“.

·       Auf einer Sitzung der IGF Strategy Working Group am 21. August 2023 wurde die Idee eines DCF als eine sich gegen das IGF richtende kontraproduktive Initiative bezeichnet die zu einer Verschwendung der ohnehin knappen materiellen Ressourcen sowie zu völlig unnötigen Konkurrenzkämpfen führen würde. Ein DCF würde trotz gegenteiliger Beteuerung seiner Autoren das Multistakholder Internet Governance Modell schwächen und den Weg bahnen zu einer stärkeren staatlichen Internetkontrolle.

·       Am 1. September 2023 veröffentlichten die beiden GDC-Co-Convener (Schweden und Rwanda) ihr „Issues Paper“ in Form eines zweiseitigen Briefes, der in sehr allgemeiner Form die seit Januar 2023 geführte Diskussion, einschließlich der „Deep Dives“, zusammenfasst. Der Brief konstatiert breite Zustimmung für einen GDC und die Definition von Prinzipien, Zielen und Aktionen „to collectively harness the benefits and manage the risks of digitalization“.Der GDC soll helfen, die UN- SDGs bis 2030 zu erreichen und die restlichen 2.7 Milliarden Menschen ans Netz zu bringen. Das Internet solle „open, free and globally accessible“ bleiben. Interoperable Internet Standards und Protokolle seien bedeutsam, um eine Internetfragmentierung zu vermeiden. Multistakeholderismus, Tunis Agenda und IGF seien Eckpunkte für die digitale Zukunft. Ein GDC dürfe existierende Foren und Prozesse nicht duplizieren, müsse aber Lücken identifizieren. Die DCF-Idee findet keine Erwähnung. Es gäbe aber „a need for regular review and follow up mechanisms“. Vint Cerf und Paul Mitchel, chairs des IGF Leadership Panels und des MAG, hatten im Juli 2023 das IGF als Plattform für ein GDC-Follow-Up angeboten. Der Brief regt einen „Code of Conduct for Information Integrity on Digital Platforms“ als Instrument gegen Desinformation an. Vorschläge zu Cybersicherheit und künstlicher Intelligenz bleiben vage. Der Brief lässt den Digitalministern im September in New York viel Spielraum. Die eigentlichen GDC-Verhandlungen werden erst nach Abschluss der 78. UN-Vollversammlung im Januar 2024 beginnen.

Bekämpfung von Cyberkriminalität

Vom 24. August bis zum 1. September 2023 diskutierte die vorletzte Sitzung des AHC einen neuen revidierten Entwurf einer UN-Konvention gegen Cyberkriminalität. Fortschritte blieben marginal. Noch ist der Weg zu einem Konsensus weit. Auch Wirtschaft (Tech Accord) und Zivilgesellschaft (Access Now) haben nach wie vor erhebliche Vorbehalte. Das betrifft vor allem die sehr breite Definition von Cyberstraftaten und den mangelnden Schutz von Menschenrechten bei einer grenzüberschreitenden Strafverfolgung. Weitere Informationen



Wolfgang Kleinwächter

Professor Emeritus of Internet Policy & Regulation at Aarhus University