Entwicklungen im Internet Governance Umfeld im Oktober 2023
IGF endet mit 100 Messages from Kyoto
Am 12. Oktober 2023 ging des fünftägige Internet Governance Forum (IGF) in Kyoto zu Ende. Es war das größte IGF in der 18jährigen IGF-Geschichte. Mehr als 9000 Teilnehmer hatten sich registriert. UN-Generalsekretär Guterres und der japanische Ministerpräsident Kishida eröffneten das IGF. Thematische Schwerpunkte waren künstliche Intelligenz, der Global Digital Compact, Überwindung der digitalen Spaltung, Menschenrechte, Plattform Regulierung und Cybersicherheit. Regierungen waren hochrangig, aber nicht auf Ministerebene vertreten. Auch bei der Wirtschaft fehlten die Spitzenleute der globalen Internetunternehmen. Etabliert hat sich der „Parliamentarian Track“. Zugenommen hat die Zahl der „Bilaterals“, was dem IGF eine zusätzliche praktische politische Bedeutung verlieh. Als konkreter Output zählen die über 100 „IGF Messages from Kyoto“ sowie die Berichte der IGF Policy Networks zu künstlicher Intelligenz, Cybersicherheit und Internetfragmentierung. Als neue Vorsitzende der Multistakeholder Advisory Group (MAG) wurde Carol Roach, Ministerin von dem Bahamas, gewählt. Das IGF 2024 findet in Riad/Saudi Arabien statt. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Access Now haben wegen der dortigen Menschenrechtslage mit einem Boykott gedroht. Oslo und Moskau sind Kandidaten für 2025. Die Bundesregierung war mit drei Ministerien (BMDV, AA, BMWZ) vertreten und gab einem Empfang.
GDC-Debatte unterstützt etablierte Multistakeholder-Institutionen
Bei der Debatte über den Global Digital Compact wurde im Oktober 2023 eine Kurskorrektur sichtbar. Die im UN Policy Brief No. 5 vom Mai 2023 gemachten Vorschläge – Schaffung eines neuen in New York basierten multilateralen Digital Cooperation Forum (DCF), Neukonzipierung des Multistakeholder-Modells in Form eines „Trilateralismus“, bei dem die technische Community der Zivilgesellschaft zugeschlagen wurde, sowie Start eines eigenständigen Follow-Up zur Umsetzung des GDC – fanden immer weniger Unterstützung. UN-GeneraIsekretär Guterres wiederholte keinen der drei Vorschläge bei seiner IGF-Rede in Kyoto und setzte sich dafür ein „that the internet's long-established multistakeholder institutions need more support, not less.“ Am Vorabend des IGF hatten Vint Cerf, Co-Chair des IGF-Leadership Panel und Amandeep Gil Singh, UN-Tech-Envoy, in einem gemeinsamen Artikel bei Nikkei Asia eine grundsätzliche Position bezogen: „A unique approach to the governance of the internet that involves all stakeholder groups has evolved over the years and has stood the test of time so far. This "multistakeholder" model even kept the internet running smoothly through the COVID-19 crisis when usage surged as 1.7 billion people came online for the first time. Collaborative multistakeholder governance of the online world was originally enshrined in U.N. practice in 2005 with the establishment of the IGF. In this body, governments, the private sector, civil society and the internet's technology community meet on an equal footing to discuss governance policies. The IGF is complemented by a number of independent technical platforms, including ICANN and the IETF, which determine technical aspects of internet protocols, addresses and registries. For more than three decades, through many geopolitical twists and turns, this approach has served the world well. As the internet grows, with more users and services, we do need to be able to adapt to fresh challenges while at the same time preserving the multistakeholder approach to internet governance....It is vital that as the digital governance landscape evolves to address emerging challenges and opportunities, including the rise of powerful AI models, internet governance objectives and actions continue to be led by the IGF, ICANN and IETF. The moat around their apolitical structure and functioning is a safeguard that the world cannot afford to lose.“ Nach dem IGF haben Vint Cerf und MAG-Chair Paul Mitchell in einem Brief an den UN-Generalsekretär und die GDC-Ko-Koordinatoren substanzielle und prozedurale Vorschläge für einen GDC gemacht und erneut angeboten, das IGF als Plattform für ein Follow-up des GDC zu nutzen.
KI-Regulierung von allen Seiten eingefordert
Im Oktober 2023 hat sich die Diskussion um die Regulierung von künstlicher Intelligenz weiter vertieft. De facto ist so etwas wie ein regulatorisches KI-Wettrennen ausgebrochen. Die OECD sieht sich mit ihren 2019 verabschiedeten Prinzipien, die von den G20 unterstützt werden, als die „Mutter“ der neuen KI-Regulierungswelle. Die EU-Kommission hat mit dem „EU AI Act“ das bislang präziseste Regulierungsprojekt erarbeitet. Es wurde im Oktober 2023 im „Trilog“ weiter kontrovers verhandelt, da es insbesondere beim Verfahren für die Risikoklassifizierung zu Differenzen gekommen ist. Die USA haben am 30. Oktober 2023 mit einer präsidialen „AI Executive Order“ einen eigenen Aufschlag gemacht und Präsident Biden hat den US-Kongress aufgefordert, eine Gesetzgebung auf den Weg zu bringen. Um eine Patchwork-Regierung zu verhindern, haben die G7-Minister am 29. Oktober 2023 ein „G7 Leaders’ Statement on the Hiroshima AI Process“ unterschrieben mit einem konkreten Maßnahmenbündel. UN-Generalsekretär Guterres hat am 26. Oktober 2023 die 40 Mitglieder eines neuen „UN High Level AI Advisory Board“ benannt. Und auf dem Gipfeltreffen der „Belt and Road Initiative“ hat der chinesische Präsident Xi Jinping am 18. Oktober 2023 in Beijing eine „Global Initiative for AI Governance“ ins Spiel gebracht. Der britische Premierminister Sunak hat für den 1. und 2. November 2023 zu einem AI-Weltgipfel nach London eingeladen. Und im Schatten dieser Initiativen hat der Europarat bei der 7. Sitzung das AI Committee (CAI) am 26. Oktober 2023 mit seiner AI Framework Convention erhebliche Fortschritte gemacht. Die Konvention soll bis März 2024 unterschriftsreif sein. (Weitere Informationen)
ITU-Arbeitsgruppe: Änderung beim Management Critical Internet Resources nicht mehr Thema
Bei den Sitzungen der ITU Council Working Groups vom 8. – 16. Oktober 2023 in Genf wurden keine wesentlichen Beschlüsse gefasst. Der Vorschlag Russlands in der CWG-Internet, die Aufsicht über das Management kritischer Internet-Ressourcen, d.h. über ICANN, neu aufzuwerfen, fand keine Unterstützung. Selbst China sprach sich dagegen aus. Die CWG-WSIS & SDG hat einen Fahrplan für WSIS+20 verabschiedet. Die nächste ITU-Vollversammlung ist für Oktober 2026 an Doha in Katar vergeben werden.
ICANN 78: Zukünftige Führung muss die richtige Balance für guten Kurs finden
Beim ICANN-Treffen in Hamburg vom 23. – 26. Oktober 2023 standen neben den Feierlichkeiten zum 25. ICANN-Geburtstag vor allem die Dauerthemen neue gTLDs, Datenschutz, Universal Acceptance und DNS Abuse im Mittelpunkt. Als ein neues kritisches Thema baut sich das Verhältnis von DNS zu im Entstehen begriffenen alternativen Identifier-Systemen wie Blockchain/Ethernet (.eth) auf. Das GAC hatte sich in Hamburg dazu ausführlich informieren lassen und verweist in seinem Kommuniqué auf mögliche Konsequenzen für eine Internet-Fragmentierung. (Weitere Informationen) Diskutiert wurde auch über die Rolle von ICANN bei GDC und WSIS+20. ICANN könne sich aus diesen Verhandlungen nicht heraushalten, sollte aber vermeiden, erneut in die politische „Line of Fire“ zu geraten. Die richtige Balance zu finden, wird eine der Aufgaben des neuen CEO sein. Ein Call for Application wurde am 21. Oktober 2023 veröffentlicht. Deadline für Bewerbungen ist der 27. November 2023.